Auch wenn die Klassen schon wie in den Ferien verwaist waren, der Schulhof leergefegt und kein Lachen in den Schulfluren zu hören war, das Schulleben an der Gesamtschule Hardt war trotz Kontaktsperre lebendig. Das Schulleben fand in den letzten drei Wochen nur in virtuellen Räumen statt. Hier wurde nicht nur digital unterrichtet, sondern einige Klassen treffen sich auch regelmäßig in Videokonferenzen, um den persönlichen Kontakt zu Mitschüler*Innen und Klassenlehrer’Innen zu halten.
Während sich normalerweise bei Unterrichtsausfall die Schüler*Innen jubelnd in den Armen liegen, fiel die Reaktion vor zwei Wochen an der Gesamtschule Hardt ganz anders aus. Viele Schüler*Innen waren verhalten, Lehrer*Innen bereiteten in ihren Klassen und Kursen die digitale Erreichbarkeit vor und forderten alle auf, ihre Arbeitshefte und Schulbücher mit nach Hause zu nehmen, um für die Zeit vor den Osterferien auf eine neue Unterrichtsform vorbereitet zu sein. Und für die Abiturienten war es vielleicht das letzte Zusammentreffen mit den Lehrkräften vor den anstehenden Prüfungen nach den Ferien.
Für das Kollegium waren die beiden ersten Tage der Schulschließung gefüllt mit der Strukturierung und Vorbereitung des digitalen Unterrichts und der kurzfristigen Organisation der Notfallbetreuung. Bereits vor dem letzten Schultag hatte ein Lehrer-Team eine außerplanmäßige Intensivfortbildung vorbereitet, um den Einsatz der digitalen Instrumente für die neue Lehr- und Lernzeit nun flächendeckend sowie möglichst strukturiert und einheitlich einsetzen zu können. Von der 14-jährigen Erfahrung und Nutzung digitaler Medien im analogen Schulalltag profitiert die Schulgemeinde in Hardt gerade in diesen Zeiten.
Entsprechend dem normalen Stundenplan sind jetzt alle Lehrerkräfte digital auf der schulischen Lernplattform „Moodle“ zu erreichen und stehen nach Bedarf mit ihren Schüler*Innen in Kontakt, um ihnen bei den digital gestellten Aufgaben zu helfen. Durch den normalen Stundenplan, der jetzt nur digital unterrichtet wird, erhalten Schüler*Innen auch eine Tagesstruktur. Der Austausch findet übersichtlich in den Fächern und Kursen über die Plattform und ohne überflutenden Mailversand statt. Über die Dateiablage können Materialien hoch- und heruntergeladen, aber auch ohne weitere Software selber online erstellt und direkt bearbeitet werden. Ein Chatmodul ermöglicht auch die Direktkommunikation zwischen Schüler*Innen und Lehrer*Innen, die sich aber auch noch zusätzlich über Live-Konferenz-Apps virtuell treffen und gemeinsam Aufgaben besprechen oder auch neue Themen mit Hilfe von eigens erstellten Erklärvideos bearbeiten.
„Die Schüler*Innen finden es gut, nicht immer nur Aufgaben alleine zu machen, sondern freuen sich auf Videokonferenzen oder Gruppenarbeiten, denn diese schaffen Interaktion und Abwechslung vom „stupiden“ Erledigen von Aufgaben“, meint der Englisch- und Erdkundelehrer René Amels, für den derzeit das Online-Teaching auf Grund der individuellen Rückmeldungen, die er allen Schüler*Innen geben möchte, zwar aufwändiger ist als der Unterricht im Klassenraum, aber auch spannende neue Perspektiven bietet.
„Auch wenn ich in meinem bisherigen Unterricht schon immer viele digitale Arbeitsformen eingesetzt habe, ist für mich die Umstellung eine Bereicherung und bereitet mir viel Freude. Zur Zeit entdecke ich viele neue Möglichkeiten, mit denen ich meinen zukünftigen Unterricht optimieren kann,“ fügt Amels hinzu.
Dass die Online-Arbeit sofort angenommen und umgesetzt werden konnte, war insbesondere der jahrelangen engagierten Vorarbeit durch Axel Mugge-Dinn, der als Kollege die IT-Administration der Schule neben seinem Unterricht übernommen hat, und der Unterstützung des Medienteams der Gesamtschule Hardt zu verdanken. Daher kam es auch bei intensiver Nutzung zu keiner Zeit zu einer Überlastung des schuleigenen Servers.
Der gesamte Schulbetrieb ist nun auch digital geprägt: Die Notenkonferenzen haben virtuell stattgefunden, Informationsveranstaltungen erfolgen über online gestellte Infofilme, sämtliche Nachrichten aus dem Ministerium für Schule und Bildung und von der Schulaufsicht werden auf der Homepage veröffentlicht und über die Schulpflegschaft per Email kommuniziert.
Die angehenden Abiturient*Innen müssen nun noch über das Vorgehen, die Maßnahmen und die rechtlichen Bestimmungen im Abitur informiert werden. Gerade die Ungewissheit der letzten Woche, ob die Abiturprüfungen überhaupt stattfinden, hat viele Abiturienten nervös gemacht. Sie begrüßen die Verschiebung der Abiturprüfungen, denn mit einem Abitur „light“, für das man 13 Jahre gelernt hat und das am Ende weniger wert wäre, sagen sie, möchte keiner an der Gesamtschule Hardt seine Hochschulreife in Frage stellen lassen.
„Viele von uns sind auch sehr traurig, dass unser Abschlussjahr so gar nicht das ist, was wir uns erhofft haben. Wir hatten keine Möglichkeit mehr Prüfungsthemen im Unterricht zu wiederholen. Unsere Fragen können wir jetzt zwar jederzeit per Mail an unsere Lehrer stellen, aber ich finde den persönlichen Austausch sehr wichtig. Wir sind alle sehr verunsichert, was noch kommt,“ schreibt eine Abiturientin an ihre betreuende Lehrerin.
Wie viele Kolleg*Innen nutzen daher auch René Amels und Peggy Gennes neben der Lernplattform Moodle unterschiedliche Videochatmöglichkeiten, um in persönlichem Kontakt mit ihren Schüler*innen zu bleiben und ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu geben.
Welchen Wert die Klassengemeinschaft hat, konnte Peggy Gennes im digitalen ‚hautnah’-Modus erleben. Sie begrüßte bei der ersten Videokonferenz mit ihrer 6. Klasse bereits 23 von 28 Schüler*innen im virtuellen Klassenzimmer. „Es war schön anzuschauen, wie sich die Kinder gefreut haben, ihre Mitschüler mal wieder zu sehen und sich einfach nur austauschen zu können,“ meint Gennes, die den größten Fortschritt darin sieht, dass alle in der Lage waren, sich mit der gemeinsamen Lernplattform „Moodle“ auseinanderzusetzen und mittlerweile auch einige zu „Moodle“-Experten geworden sind.
Aus ihrer Erfahrung sind gerade Aufgaben zur Vertiefung der bereits gelernten Unterrichtsinhalte wichtig und überfordern die Schüler*Innen und auch deren Eltern nicht. In den Nebenfächern bietet es sich an, den SchülerInnen einfach mal „nur“ Input für kreative Beschäftigungen zu geben, die Struktur in ihren Alltag bringt. So hat Gennes im Fach Gesellschaftslehre ihren Schüler*Innen beispielsweise die Aufgabe gestellt, eine ältere Person aus ihrem Familien-/Bekanntenkreis zu interviewen und deren Kindheit mit der eigenen zu vergleichen. Vereinzelte Ergebnisse hat sie dann im Videochat mit der Klasse geteilt und besprochen.
„Es eröffnen sich so viele kreative Aufgaben und Möglichkeiten, die man auch unbedingt mit Kolleg*Innen austauschen muss,“ empfiehlt Gennes, die in der derzeitigen Situation eine große Chance für alle sieht, denn die erzwungene Auseinandersetzung mit der Digitalisierung schafft neuen Input für den sinnvollen und kreativen Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Sie bietet viele Chancen zu lernen, an welcher Stelle Schule in Zukunft im Bereich Digitalisierung ansetzen und aus- bzw. fortbilden muss.
Trotz aller Unbequemlichkeiten und Herausforderungen ist die derzeitige Unterrichtssituation insbesondere für die Oberstufenschüler*Innen die beste Vorbereitung auf ein selbstständiges und digitales Arbeiten an Hochschulen und im späteren Beruf.
„In meinen Online-Kursen haben sich alle Kursteilnehmer*Innen zügig eingeschrieben und zum Großteil bearbeiten sie die gestellten Aufgaben wirklich tadellos,“ weiß Gennes zu berichten.
Lernfortschritte haben nach der ersten Wochen auch die Lehrkräfte und Eltern gemacht: „Die Aufgaben sind von der Menge und der Zeit auch angemessen und bei meiner Tochter recht zügig erledigt. Wir kommen mit Moodle auch gut zurecht mittlerweile,“ schreibt die Mutter einer Sechstklässlerin an die Schule.
Die Gesamtschule Hardt ist sicher, dass sich die neue Lernkultur weiterentwickeln und der analoge Unterricht davon in Zukunft profitieren wird. Dass dies an der Gesamtschule Hardt ein fließender Prozess ist, verdankt die Schule insbesondere der vorausschauenden Arbeit ihres IT-Administrators Axel Mugge-Dinn, der neben den technischen Voraussetzungen auch mit regelmäßigen Fortbildungen für das Kollegium die Grundlage dafür geschaffen hat.
Nicht nur der virtuelle Einsatz läuft derzeit erfolgreich, sondern auch die Unterstützung der vielen Lehrer*Innen, die ihre freiwillige Bereitschaft für die Betreuung von Kindern anbieten, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, verdient viel Applaus.