Unsere zugewanderten Schülerinnen und Schüler und ihre Paten im kultursensiblen Konflikttraining
„Warum siehst du mir nicht in die Augen? Magst du mich nicht?“, „Ich bin sauer. Ich möchte nicht reden. Warum sprichst du mich an?“
Die Mitglieder unserer Schulgemeinschaft haben die unterschiedlichsten Wurzeln. Im Alltag steht es häufig im Hintergrund, aber wenn wir es uns bewusst machen, erkennen wir: Unsere Wurzeln liegen in den unterschiedlichsten Ländern, wir haben im Laufe unseres Lebens die unterschiedlichsten Sprachen gelernt – das ist bei unseren Lehrerinnen und Lehrern genauso, wie bei unseren Schülerinnen und Schülern.
Das Aufwachsen in unterschiedlichen Ländern und die gedankliche Durchdringung der Welt durch unterschiedliche Herkunftssprachen sorgt für Unterschiedlichkeiten, die zunächst einmal Irritationen hervorrufen und auch zu Konflikten führen können. Wir wollen unsere Vielfalt als Bereicherung begreifen, einander besser verstehen lernen. Zwei Beispiele: Der Blick in die Augen meines Gegenübers kann im positive Sinne von Selbstbewusstsein, von ehrlicher Offenheit sprechen – in vielen Kulturen gilt es aber als unhöflich und respektlos, dem Gegenüber direkt in die Augen zu blicken: der direkte, selbstbewusste Blick wird hier als Konfrontation begriffen. Und der Mitschüler, der aggressiv reagiert, obwohl wir ihm nur helfen wollten, weil er so sauer aussah? Wenn wir uns einfühlen, ist klar: Jemand, der aktuell „total sauer“ ist, will in den seltensten Fällen reden – in unserem Alltagshandeln beachten wir dies jedoch häufig nicht, gehen direkt hin und fragen nach… Nicht selten, dass wir nicht nach unserem Wissen handeln. Nicht selten kommt es dadurch zum Konflikt.
Zur Zeit findet an der Gesamtschule Hardt zum dritten Mal „Gewaltfrei Lernen“ statt. Neu ist dieses Jahr, dass wir nicht nur unsere neuen fünften Klassen schulen und so helfen, dass es zu einer positiven Gemeinschaftsbildung kommt. In diesem Jahr gibt es erstmalig eine Schulung, die quer durch die Jahrgangsstufen 7 bis 10 ein kultursensibles Konflikttraining bietet, das uns hilft unsere Vielfalt als Reichtum zu begreifen: 18 Kinder und Jugendliche, die sich mitten in der Schullaufbahn als „Seiteneinsteiger“ in unsere Gemeinschaft integrieren (mit unterschiedlichstem Alter und unterschiedlichster Herkunft) und ihre 18 Paten, die (stellvertretend für die gesamte Schulgemeinschaft) den Integrations-prozess hilfreich unterstützen, erkunden handelnd, wie unterschiedliche Gefühle sich in der Körperhaltung ausdrücken, wie man sich erfolgreich selbst behauptet und miteinander, als Gemeinschaft, etwas schafft: Indem man sich abspricht, sich verständigt, einander nicht anfeindet, wenn mal etwas nicht klappt… sondern sich auf die Spur begibt, woran es denn liegt, wenn etwas gerade nicht funktioniert.
Integration ist nichts für Ungeduldige! Das zeigt sich symbolisch in einem Spiel, in dem alle gemeinsam einen Turm bauen müssen aus Holzklötzen, die nicht direkt berührt werden dürfen, sondern nur mit Hilfe eines „Werkzeuges“ bewegt werden können, dass an 34 einzelnen Schnüren aufgehängt ist, an deren Ende jeweils ein anderer Mensch steht. „Despacito!, mahnt Zakaria und reagiert verwirrt, als jemand den gleichnamigen Sommerhit intoniert. „Es heißt ,langsam’“, informiert er…
Begeistert und nachdenklich geht man aus dem Kurs und fragt sich: Was nehmen wir sonst noch mit? Was können wir in unsere Gemeinschaft tragen? Vielleicht, dass es die Stärke der Gruppe war, dass wir einander nicht angefeindet haben, wenn etwas schief ging? Dass die Gruppe der Paten, also die Mitglieder der Gemeinschaft, die schon länger zu uns gehören, ebenso unterschiedlich sind wie diejenigen, die neu(er) dabei sind? Dass unsere Seiteneinsteiger begeistert waren – und unsere langjährigen Schüler begeistern, weil sie zum Teil ihre Freizeit opfern, um an diesem Kurs teilzunehmen?
Auf jeden Fall sind wir gespannt auf die nächsten Schulungen: „Gewaltfrei lernen“ an der Gesamtschule Hardt in diesem Schuljahr nochmal am 19. und 22. September, sowie am 2. Oktober (für die 5. Klassen). Kurse für Seiteneinsteiger und ihre Paten am 19. September und 2. Oktober, jeweils 8. und 9. Stunde. Save the Date!